Getriebeüberwachung

Motivation

Dieser Abschnitt erläutert das Konzept einer Überwachung von Getrieben. Wie Wälzlager zählen Getriebe zu den häufigsten Maschinenelementen. Da sie unter anderem in Antrieben aller Art eingesetzt werden, haben sie zumeist eine entscheidende Rolle für die zuverlässige Funktion einer Anlage. Typische Getriebeschäden unterscheiden sich von Schäden in Wälzlagern. Dies liegt zum einen daran, dass in Getrieben hoch belastete Teile direkt aufeinander gleiten, was besondere Anforderungen sowohl an die Schmierung als auch an die Qualität der Oberfläche stellt. Aufgrund der zur Aufnahme der im normalen Betrieb entstehenden Kräfte sind Getriebe deswegen relativ groß und damit teuer und ein Austausch während der Lebensdauer der Maschine kann auch bei einwandfreier Wartung notwendig werden. Ausreichende Schmierung und korrekte Montage sind auch hier wichtig. Die auftretenden Schadensbilder sind jedoch keineswegs ausnahmslos auf Fehler in diesen Punkten zurückzuführen. Zu hohe Spannungen an den Kontaktstellen ebenso wie ein Zusammenwirken mit Korrosion und Überhitzung können von anfänglichen Oberflächenschäden (Pitting, Graufleckigkeit / Micropitting, Oberflächenausbrüche / Spalling, Abrieb) bis hin zu Absplitterungen und Deformationen der Zahnflächen führen. Mechanische Schocks und Überlast können den unmittelbaren Bruch von Zahnrädern verursachen. Des Weiteren führt ein Versagen von Getrieben, eher als bei Wälzlagern, zu abrupten Ausfällen und signifikanten Folgekosten. Dies liegt daran, dass bei Zahnrädern die größten Spannungen am Ansatz der Zähne liegen, vergleiche untenstehende Abbildung (rote Flächen). Folglich treten dort früh Ermüdungserscheinungen auf, die im Laufe der Zeit zu tiefen Rissen und schließlich zum Herausbrechen von Zähnen führen. Letzteres führt im Extremfall dazu, dass das ganze Getriebe scheinbar ohne Vorwarnung blockiert und umfangreiche Folgeschäden z.B. durch den Bruch von Achsen entstehen. Aus den gerade genannten Ursachen und dem daraus folgenden Verhalten ergeben sich zwei Zielrichtungen für eine Überwachung von Getrieben:

Theorie

Im Folgenden werden nun die theoretischen Grundlagen zu einer frühen Erkennung von Getriebeschäden kurz skizziert.

Zahneingriffsschwingungen

Getriebeüberwachung 1:

In einem Getriebe rollen Zahnräder aufeinander ab, wobei periodisch die einzelnen Zähne in Kontakt kommen, Kraft übertragen und sich wieder voneinander lösen. Während es in einem neuen, gut ausgelegten Getriebe möglich ist, dass dies mit exakt konstantem Übersetzungsverhältnis und weitgehend konstanter Kraft geschieht (Evolventenverzahnung), ist es nicht machbar, dass dieses Abrollen ohne einen Anteil an gleitender Bewegung erfolgt. Wie das obige Bild zeigt, erfolgt in der Mitte der Zahnfläche vorwiegend eine Drehbewegung und mit zunehmender Entfernung von der Mitte eine wachsender Anteil Gleitbewegung. Bei einem solchen Zahnkontakt ist zudem zwar das Drehzahlverhältnis weitgehend konstant, das übertragene Drehmoment variiert jedoch. Da die Zähne aus hartem, elastischem Material bestehen und sich somit geringfügig verformen, werden diese zu einer Schwingung mit der Periode des Zahneingriffs angeregt, der sogenannten Zahneingriffsfrequenz.

Oberschwingungen der Zahneingriffsfrequenz

Da die Zahneingriffsschwingung eine erzwungene Schwingung ist, die nicht sinusförmig aussieht, sondern auf einem vergleichsweise plötzlichen Auftreten und Nachlassen der Kräfte basiert, besteht sie im Spektrum aus zahlreichen Oberschwingungen, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache der Zahneingriffsfrequenz sind. Die Schwingungen hängen von der Belastung des Zahnrads ab, da das Drehmoment die Zähne elastisch verformt. Zahnradschwingungen sind also lastabhängig.

Abnutzungsfolgen

Getriebeüberwachung 2:

Bei zunehmender Abnutzung weichen die Zahnprofile mehr und mehr von der idealen Form ab, da durch das Gleiten der Flächen aufeinander Material abgetragen wird. Dies geschieht umso stärker, je weiter die Fläche vom Mittelpunkt der Zahnflanke entfernt ist, wie die Grafik oben zeigt. Die Gleitbewegung nimmt deswegen ihrerseits zu und das Drehmoment variiert stärker, wodurch sich die Zahneingriffsschwingungen und besonders die enthaltenen harmonischen Oberschwingungen verstärken. Die Analyse der Oberschwingungen ist daher der Schlüssel zur Auswertung des Getriebezustands. Zu beachten ist, dass ein plötzlicher Rückgang von Oberschwingungen in einem schon deutlich beschädigten Getriebe als Alarmzeichen zu werten ist: Möglicherweise ist der Bruch einer Zahnflanke so stark fortgeschritten, dass sich die Elastizität der Verzahnung erhöht hat. In diesem Fall ist mit einem kurzfristigen Totalausfall des Getriebes zu rechnen.

Das Cepstrum

Das Cepstrum ist das wichtigste Werkzeug zur Analyse von Getriebeschwingungen sowie Oberschwingungen und Modulationen. Es stellt eine Operation dar, welche Periodizitäten im Spektrum eines Signals hervorhebt.

Die Definition des Leistungs-Cepstrums für ein Signal x(t) lautet:

Getriebeüberwachung 3:

Interpretation

Ebenso wie die Fourier-Analyse Periodizitäten im Zeitbereich eines Signals sichtbar macht, wertet das Cepstrum Periodizitäten im Frequenzbereich aus. Durch die inverse Fourier-Transformation wird das Ergebnis wieder in einen Zeitbereich abgebildet. Der assoziierte Index der Werte stellt jedoch nicht die ursprüngliche Zeitachse bzgl. t dar, sondern die auftretenden Perioden im Spektrum. Diese Größe, deren Einheit die Zeiteinheit ist, wird aufgrund der Kombination von Umkehrung und Rücktransformation als Quefrency bezeichnet. Ähnliche unterscheidende Bezeichnungen gibt es z.B. für Entitäten und Operationen wie Harmonische, Filterung und Phasenanalyse. Je größer die Länge N der beiden verwendeten Fourier-Transformationen ist, desto mehr Eingangswerte werden zur Berechnung des Cepstrums herangezogen, was den Einfluss von Rauschen und (nicht systematischen) Schwankungen verringert. Vergrößert werden kann die Zeitauflösung nur, wenn die Abtastrate erhöht wird.

Als Beispiel zeigt die folgende Abbildung das Leistungsspektrum und Leistungs-Cepstrum eines sogenannten harmonischen Tonkomplexes. Im Zeitbereich des Signals ist eine Wiederholung eines Pulses alle 2 ms erkennbar. Jeder Einzelpuls wurde aus einer Überlagerung von Oberschwingungen zusammengesetzt, das heißt die Situation ist ähnlich (grobes Modell) wie im oben beschriebenen Fall eines Getriebeschadens. Das Leistungsspektrum ist in der mittleren Darstellung aufgezeigt. Deutlich zu erkennen ist die Periodizität des Leistungsspektrums, wobei die Maxima jeweils 0,5 kHz auseinanderliegen. Der Betrag des Leistungs-Cepstrums ist in der unteren Darstellung zu sehen. Das größte (globale) Maximum liegt bei einer Quefrenz von 0 ms, was praktisch keine Relevanz hat (es zeigt nur den Mittelwert des Leistungsspektrums). Abgesehen von diesem Maximum ist das größte Maximum bei 2 ms zu erkennen, was genau der zeitlichen Wiederholung des Zeitsignals entspricht bzw. dem Kehrwert des Abstandes der lokalen Maxima im Leistungsspektrum 1/0,5 kHz = 2 ms.

Getriebeüberwachung 4:

Verarbeitungskonzept (Rechenschritte)

Getriebeüberwachung 5:

Berechnung des Leistungs-Cepstrums

Die Berechnung des Cepstrums basiert, wie aus der Definition hervorgeht, auf der "normalen" Frequenzanalyse. Dementsprechend ist, wie im Abschnitt Analyse von Daten-Streams beschrieben, zunächst eine Zerlegung des Signals in Abschnitte und eine anschließende Multiplikation mit einer Fensterfunktion bzw. "Fensterung " notwendig. Anschließend wird entsprechend den oben angegebenen Rechenschritten Fourier-Transformation, Betragsbildung, Logarithmierung und erneute Fourier-Transformation das Leistungs-Cepstrum berechnet. Wichtig ist hierbei, dass Wertbereichsüberschreitungen vermieden werden, denn der Logarithmus von Null ist ähnlich wie die Division durch Null nicht definiert.

Das Ergebnis der Berechnung ist zunächst komplex-wertig. Typischerweise wird zur weiteren Analyse der Betrag oder auch das Betrags-Quadrat verwendet.

Ein Beispiel kann hier heruntergeladen werden: Leistungscepstrum

Berechnung von Quantilen

Die kurzzeitigen Werte des Cepstrums fluktieren, ähnlich wie die der FFT von der sie abgeleitet sind, meistens recht stark. Deswegen ist der nächste empfohlene Verarbeitungsschritt die Berechnung von Quantilen für jede erhaltene Periode, also jede Quefrency. Für Überwachungsaufgaben wird oft beispielsweise die 95-% Quantile, also jenen Wert, der von den Messwerten in 95 % aller Fälle nicht überschritten wird, bestimmt. Diese Berechnung geschieht ebenso wie bei der Frequenzanalyse mit dem Baustein Quantiles.

Schwellwertüberwachung

Die weitere Verarbeitung hängt von der konkreten Zielsetzung ab: