Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit
Zur grundsätzlichen Einordnung nachfolgender Erläuterungen ist das Kapitel „Hinweise zu analogen Datenwerten“ unter Weiterführende Dokumentation zu I/O-Komponenten mit analogen Ein- und Ausgängen insbesondere zum Messbereichsendwert zu beachten!
Es lohnt sich diese Anleitung aufmerksam zu lesen und die Ratschläge zu befolgen – Sie ersparen sich Mühe, Zeit und vermutlich auch Geld.
Die genaue Kenntnis dieser Anleitung kann Ihnen die leichte Beherrschung der Technik bei allen Anwendungen vermitteln und damit Freude bereiten.
Grundsätzliches zur Messtechnik:
Mit Messgeräten wird mit mehr oder weniger Aufwand versucht, den „wahren Wert“ einer Messgröße z.B. Umgebungstemperatur zu bestimmen. Dies ist aus verschiedenen praktischen Gründen nicht endgültig möglich. Die Messung/der Messwert unterliegt je nach Aufwand einem zufälligen, nicht eliminierbaren Messfehler. Beckhoff gibt mit seinen praktisch ermittelten Spezifikationsangaben eine Handhabe, um theoretisch die verbleibende Messunsicherheit im Einsatzfall berechnen zu können. Dazu dienen die folgenden Absätze.
Allgemeine Hinweise
Es ist keine besondere Wartung erforderlich, für die Klemme wird allerdings eine jährliche Überprüfung empfohlen.
Falls ein Werkskalibrierzertifikat für das Gerät vorliegt, gilt für das Rekalibrierintervall eine Empfehlung von 1 Jahr, falls nicht anders angegeben.
Hinweise zu den Spezifikationsdaten:
- Spezifikationsangaben lauten üblicherweise „% vom nominellen Messbereichsendwert“ = „% MBE“ wenn nicht anders angegeben
- In Zusammenhang mit einem einzelnen Wert bedeutet „typisch“, dass diese Kenngröße durchschnittlich den angegebenen Wert hat. Bei individuellen Klemmen kann die Kenngröße vom typischen Wert jedoch abweichen. Ein Beispiel ist der Stromverbrauch.
- In Zusammenhang mit einer Grenze (Kenngröße ist typisch max./min. X) oder mit zwei Grenzen (Kenngröße ist typisch zwischen X und Y) bedeutet „typisch“, dass diese Kenngröße bei individuellen Klemmen überwiegend zwischen den Grenzen liegt. Abweichungen sind jedoch möglich, siehe Konfidenzniveau. Ein Beispiel ist das Rauschen. Es werden üblicherweise keine Messungen unternommen, um Angaben über Standardabweichung oder Ergebnis-Häufigkeiten machen zu können. Ein typischer Wert wird üblicherweise mit der Abkürzung „typ.“ hinter der Einheit gekennzeichnet.
- Das Konfidenzniveau/ Vertrauenslevel liegt, wenn nicht anders angegeben, bei 95%.
- Beim Betrieb in EMV-gestörter Umgebung ist zur Einhaltung der Spezifikation verdrillte und geschirmte Signalleitung, mindestens einseitig geerdet zu verwenden. Es wird der Einsatz von Beckhoff Schirmzubehör ZB8511 oder ZS9100-0002 empfohlen:
Die Hutschienenbefestigung ZB8520 wird in Bezug auf analoge Schutzwirkung nicht empfohlen:
- Wenn nicht anders spezifiziert, werden Messfehler etc. im DC-Betrieb angegeben (keine Wechselgrößen). Bei Messung eines AC-Signals beeinflusst der Frequenzgang des Analogeingangs die Messung selbst.
Hinweis zur Temperatur
Die Temperatur innerhalb/außerhalb des Gerätes hat Einfluss auf die Messung durch die Elektronik. So weist eine messtechnische Schaltung in der Regel eine Temperaturabhängigkeit auf, die u.a. in der Angabe der Temperaturdrift spezifiziert wird. Die Spezifikationsangaben gelten für eine konstante Umgebungstemperatur – veränderliche Verhältnisse (Aufheizen des Schaltschranks, Temperatursturz durch Öffnen des Schaltschranks bei kalter Witterung), also ein Temperaturübergang, kann unter Umständen zu einer Veränderung von Messwerten durch dynamische und heterogene Temperaturverteilung führen. Zur Bereinigung solcher Effekte kann die Geräte‑Innentemperatur online aus dem CoE ausgelesen und ggf. zur Verrechnung herangezogen werden. Manche Geräte zeigen auch elektronisch an, dass sie sich thermisch stabilisiert haben, siehe dazu die Diagnose Eigenschaften.
Die Spezifikationsdaten gelten
- nach einer Aufwärmzeit des Gerätes unter Betriebsspannung und Feldbusbetrieb von mind. 60 Minuten bei konstanter Umgebungstemperatur
- Praktischer Hinweis: nach dem Einschalten erwärmt sich das Gerät in der Regel exponentiell derart, dass der wesentliche Anteil der Erwärmung je nach Gerät bereits innerhalb kurzer Zeit in ca. 10-15 Minuten durchlaufen ist und sich die Messeigenschaften innerhalb der Spezifikationsgrenzen bewegen.
- Zur Verdeutlichung: typischer Verlauf einer Innentemperatur (ohne konkrete Aussagekraft für ein bestimmtes Gerät):
- Einige Geräte zeigen im CoE-Objekt 0xF900:02 an, dass sie innerlich thermisch stabilisiert sind und ∆T im Gerät sehr klein ist. Das kann durch eine Applikation ausgewertet werden,
- bei waagerechter Einbaulage unter Beachtung der Mindestabstände,
- bei freier Konvektion (keine Zwangslüftung),
- bei Beachtung der Spezifikationsangaben.
Liegen andere Bedingungen vor, ist ein anwenderspezifischer Abgleich nötig.
Hinweise zur Rechnung mit den Spezifikationsangaben:
Die unabhängigen Spezifikationsangaben lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
- die Angaben zur Offset‑/Gain‑Abweichung, Nichtlinearität, Wiederholgenauigkeit, deren Wirkung auf die Messung nicht vom Anwender beeinflussbar ist. Diese werden von Beckhoff nach der u.a. Rechnung zur sogenannten „Grundgenauigkeit bei 23°C“ zusammengefasst.
- die Spezifikationsangaben, deren Wirkung auf die Messung vom Anwender beeinflussbar sind, dazu gehören:
- das Rauschen: Auswirkung beeinflussbar durch Samplerate, Filtern sowie
- die Temperatur: Auswirkung beeinflussbar durch Schaltschrankklimatisierung, Abschirmung, Kühlung, …
Die unabhängigen Einzel-Genauigkeitsangaben sind nach der u.a. Formel quadratisch zu addieren, um eine Gesamt-Messgenauigkeit zu ermitteln - wenn keine besonderen Bedingungen vorliegen, die gegen eine Gleichverteilung und damit den quadratischen Ansatz sprechen (englisch: RSS – root of the sum of the squares).
Für Messbereiche, bei denen der Temperaturkoeffizient nur als TkTerminal spezifiziert ist:
FOffset | : | Offset-Spezifikation (bei 23°C) |
FGain | : | Gain/Scale-Spezifikation (bei 23°C) |
FNoise, PtP | : | Rausch-Spezifikation als Peak-to-Peak-Wert (gültig für alle Temperaturen) |
MW | : | Gemessener Wert |
MBE | : | Messbereichsendwert |
FLin | : | Nichtlinearitätsfehler über den gesamten Messbereich (gültig für alle Temperaturen) |
FRep | : | Wiederholgenauigkeit (gültig für alle Temperaturen) |
TkOffset | : | Temperaturkoeffizient Offset |
TkGain | : | Temperaturkoeffizient Gain |
TkTerminal | : | Temperaturkoeffizient der Klemme |
ΔT | : | Differenz der Umgebungstemperatur zur spezifizierten Grundtemperatur (23°C wenn nicht anders angegeben) |
FAge | : | Fehlerkoeffizient der Alterung |
NYears | : | Anzahl Jahre |
FGesamt | : | Theoretisch berechneter Gesamtfehler |
Beispielsweise seien bei einem ermittelten Messwert MW = 8,13 V im 10 V Messbereich (MBE = 10 V) die folgenden Werte vorliegend (NYears = 0):
- Gain-Spezifikation: FGain = 60 ppm
- Offset-Spezifikation: FOffset = 70 ppmMBE
- Nichtlinearität: FLin = 25 ppmMBE
- Wiederholgenauigkeit: FRep = 20 ppmMBE
- Rauschen (ohne Filterung): FNoise, PtP = 100 ppmpeak-to-peak,
- Temperaturkoeffizienten:
- TkGain = 8 ppm/K
- TkOffset = 5 ppmMBE/K
Dann berechnet sich die theoretisch mögliche Gesamt-Messgenauigkeit bei ΔT = 12K zur Grundtemperatur wie folgt:
bzw. = ±0,0143.. %MBE
Anmerkungen: | ppm ≙ 10-6 | % ≙ 10-2 |
Allgemein kann also wie folgt gerechnet werden:
- Wenn nur der Einsatz bei 23°C zu betrachten ist:
Gesamt-Messgenauigkeit = Grundgenauigkeit & Rauschen nach o.a. Formel - Wenn der Einsatz bei 23°C mit langsamer Messung (=Mittelwertbildung/Filterung) zu betrachten ist:
Gesamt-Messgenauigkeit = Grundgenauigkeit - Wenn der allgemeine Einsatz bei bekannter Temperaturspanne und inkl. Rauschen zu betrachten ist:
Gesamt-Messgenauigkeit = Grundgenauigkeit & Rauschen & Temperaturwerte nach o.a. Formel
Beckhoff gibt die Spezifikationsdaten üblicherweise symmetrisch in [±%] an, also z.B. ±0,01% oder ±100 ppm. Entsprechend wäre das vorzeichenlose Gesamtfenster also der doppelte Wert. Auch eine Peak-to-peak-Angabe ist eine Gesamtfensterangabe, der symmetrische Wert also die Hälfte davon. In der u.a. quadratischen Verrechnung ist der symmetrische „einseitige“ Wert ohne Vorzeichen einzusetzen. Rauschangaben erfolgen üblicherweise in peak-to-peak-Form, deshalb enthält die Formel für den Rauschwert schon den Teilungsfaktor 2.
Beispiel:
- symmetrische Angabe: ±0,01% (entspricht ±100 ppm) z.B. bei Offset-Spezifikation
- Gesamtfenster: 0,02% (200 ppm)
- Zur Verwendung in der Formel: 0,01% (100 ppm)
Der so berechnete Gesamtfehler ist wieder als symmetrischer Maximalwert zu sehen und somit zur weiteren Verwendung mit ± und ≤ zu versehen.
Beispiel:
- FGesamt = 100 ppm
- Zur weiteren Verwendung: „≤ ± 100 ppm“
Das heißt gesprochen: „Die Verrechnung der Einzel-Genauigkeitsangaben unter den geg. Bedingungen erbrachte ein Fenster von 200 ppm, das symmetrisch um dem einzelnen Messwert liegt. Die Messwertangabe x hat damit eine Unsicherheit von x ±100 ppm, der wahre Wert liegt damit zu 95% in diesem Bereich“.
Der Rauschanteil kann entfallen Der Anteil des Rauschens FNoise in der o.a. Formel kann entfallen (= 0 ppm), wenn nicht ein einzelnes Sample sondern ein gemittelter Wert über einen Satz von Samples in Betracht gezogen wird. Die Mittelung kann in der PLC, aber auch durch einen der Filter im Analogkanal erfolgen. Der Ausgabewert einer gleitenden Mittelwertbildung über viele Samples hat einen annähernd eliminierten Rauschanteil. Die erzielbare Genauigkeit steigt somit, wenn der Rauschanteil verringert wird. |
Fehlerkoeffizient der Alterung Wird der Spezifikationswert zur Alterung von Beckhoff (noch) nicht spezifiziert, muss er bei Messunsicherheitsbetrachtungen wie im o.a. Beispiel zu 0 ppm angenommen werden, auch wenn in der Realität über die Betriebszeit davon auszugehen ist, dass sich die Messunsicherheit des betrachteten Gerätes ändert, umgangssprachlich der Messwert "driftet". Erfahrungsgemäß kann als Größenordnung für eine Jahres-Veränderung (10.000 h) bei spezifikationsgemäßem Betrieb die Grundgenauigkeit des betrachteten Gerätes angenommen werden. Dies ist eine informative Aussage, ohne Spezifikationscharakter, Ausnahmen möglich. Generell wird die Alterungsveränderung sehr applikationsspezifisch ausfallen, eine allgemeine Alterungsspezifikation von Seiten Beckhoff wird daher bei Veröffentlichung eher Richtwertcharakter als garantierte Obergrenze darstellen. Ergibt die Messunsicherheitsbetrachtung in der Applikation, dass die Alterung über die gewünschte Betriebszeit den Messerfolg gefährden kann, empfiehlt Beckhoff die zyklische Überprüfung (Rekalibrierung) des Messkanals, sowohl was Sensor, Verkabelung als auch die Beckhoff Messklemmen betrifft. Dadurch können potentielle Langzeitveränderungen in der Messkette frühzeitig entdeckt und ggf. sogar der Auslöser (z.B. Übertemperatur) eliminiert werden. Siehe dazu auch Weiterführende Dokumentation zu I/O-Komponenten mit analogen Ein- und Ausgängen. |
Grundgenauigkeit, erweiterte Grundgenauigkeit und Mittelwertbildung
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Messgenauigkeit vom Messwert (vom Messwert) Manchmal ist statt der Genauigkeitsangabe „Genauigkeit bezogen auf den Messbereichsendwert (MBE)“ (englisch: percentage of range) die „Genauigkeit bezogen auf den aktuellen Messwert“ d.h. „Genauigkeit vom Wert (v.W.)“ gesucht (englisch: percentage of reading). |