Einsatzempfehlungen
Gegenüberstellung der Eigenschaften je nach Schalttechnologie
Technologie | Reed | FET/SolidState | EMR, Elektromagnetisches Relais |
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Beispiele | ELM264x, EL264x | ELM274x, EL27xx | EL26xx |
Schaltverhalten | „echter“ Schalter, trennt vollständig | Halbleiter-Schalter, immer geringer Leckstrom | „echter“ Schalter, trennt vollständig |
Übergangswiderstand Ron | Höher | Gering | Gering |
Wiederholstabilität Ron | Gut | Sehr gut | Sehr gut |
Überlastverhalten | Empfindlich | Weniger empfindlich | Empfindlich |
Schaltgeschwindigkeit **) | Schnell | Sehr schnell | Mittel |
Abhängigkeit der Eigenschaften von der Umgebungstemperatur | Gering | Höher | Gering |
Leckstrom wenn geöffnet | Sehr gering | Höher, ansteigend mit Betriebstemperatur, einige nA | Sehr gering |
Entstehende Offset/Thermospannung | Ja, einige ±10µV | Gering, wenige ±1 µV | Ja, höher als Reed, auch durch Selbsterwärmung |
Verschleiß | Ja, allmähliche Alterung bei normalem Gebrauch Typ. Ausfall: nichtleitend | Gering, wenn dann plötzlicher Ausfall Typ. Ausfall: leitend | Ja, allmähliche Alterung bei normalem Gebrauch Typ. Ausfall: nichtleitend |
AC-Verhalten (Wechselsignale), Übersprechen | Gut | Weniger gut, applikativ zu beurteilen | Gut |
Einsatzempfehlung | Einsatz bei schwankender Umgebungstemperatur 4-Leiter-Widerstandsmessungen | Einsatz bei Raumtemperatur 2-Leiter-Widerstandsmessungen Thermoelemente (solange sich die Umgebungstemperatur nicht wesentlich ändert) Stromspitzen Häufiges/schnelles Schalten |
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2) es ist bezüglich der Schaltgeschwindigkeit weniger die Ton/Toff-Zeit des Schaltelements ausschlaggebend, als vielmehr die Zeit, die die geräteinterne Firmware zur Ansteuerung der Schalter benötigt.
Wird ein Schaltelement wie die EL2xxx/ELM2xxx für die Manipulation von anspruchsvollen Analogsignalen verwendet, ist immer zu bedenken, dass Temperaturänderungen auf Eigenschaften aller Art einwirken und diese nachteilig verändern können. Dies ist bei der Systemauslegung zu berücksichtigen.
Außerdem bringen die Schaltelemente in jedem Fall ohmsche/induktive/kapazitive Einflüsse in das System. Ein Offset-Abgleich bei Spannungs- oder Widerstandsmessung wird empfohlen.
Allgemein wird ein „vollständiges“ allpoliges Schalten der Signale empfohlen, also bei einer 6‑Leiter‑DMS Verbdingung alle sechs Leitungen. Wird davon abgewichen und z.B. bei einer 2‑poligen IEPE-Verbindung nur die Signalleitung (+) geschaltet, können
- Masseschleife(n) entstehen, je nach Aufbauart des Sensors und Verdrahtung,
- Störeinkopplungen durch ein N-fach vergrößertes Leitungsnetzwerk begünstigt werden,
- dem geschalteten Signal ist eine ausreichende Einschwingzeit zuzugestehen, z.B. muss sich ein konstantes IEPE‑Stromsignal erst einige 100 ms stabilisieren,
- beim Schließen von mechanischen Kontakten kann es zum „Prellen“ kommen,
- die geschalteten Geräte müssen für den An/Abschaltvorgang geeignet sein,
- bei Widerstandsimulation kann die Parallelschaltung
angewendet werden. Um nahezu gleichbleibende Widerstandsabstufungen mit möglichst vielen Schaltkombinationen zu erhalten ist - die Seriell‑Schaltung mit z.B. binär gestuften Widerständen zu empfehlen:
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Sie erfordert generell beidseitig zugängliche Schalter, wie sie z.B. die Klemme EL2624 zur Verfügung stellt. - Eine auf dieser Seriell‑Schaltung basierende Widerstandsimulation mit den Multiplexklemmen aufzubauen, ist nur mit je zwei Schaltern einer 4er-Schaltgruppe möglich:
Eine Kombination der beiden Schaltungsarten führt zu weiteren möglichen Widerstandswerten und z.T. redundanten Schaltkombinationen.
Wie jedes technische Gerät kann auch eine Schaltklemme versagen: einerseits durch nicht‑Schalten obwohl zu schalten ist, da z.B. „Kontakt zerstört“ und andererseits durch dauerhafte Verbindung obwohl es trennen soll, z.B. „Kontakt klebt“. Empfangsseitig sind dazu ausreichende Plausibilitätsabfragen vorzusehen.
Weitere Hinweise:
- Eine externe Schutzbeschaltung ist bei induktiver/kapazitiver Last nötig, z.B. eine Kurzschlussdiode.
- Äußere starke magnetische Felder oder Vibrationen/Schocks können die Funktion z.B. von Reed-Relais beeinträchtigen
- Die hier besprochenen Geräte verfügen über Schaltspielzähler im CoE, es wird empfohlen diese zu beachten.
- Bei langem/häufigen Gebrauch zeigen alternde Schaltkontakte einen langsam ansteigenden Widerstand vor dem völligen Versagen. Eine gelegentliche Kontrolle der Schaltfunktion kann sinnvoll sein.
- Eine Reparatur einzelner Schalter im Beckhoff Service ist möglich.
Konkrete Beispiele zu Mux-Anwendungen mit Beckhoff Analogeingängen
RTD an EL320x Klemmen
- Das Multiplexen bringt Übergangswiderstände in den Sensoranschluss ein. Daher wird bei der Kombination RTD + Multiplexen der 4-Leiter-Anschluss mit +R(UExc), +RL(+sense), -RL(-sense) und -R(AGND) empfohlen.
- Der 4-Leiter-Anschluss wird z.B. von den EL3201-xxxx, EL3202-xxxx, EL3751, ELM350x, ELM370x und anderen unterstützt.
- Eine EL320x ist nur zur Speisung/Versorgung von einem RTD-Sensor ausgelegt. Daher kann der +R/UExc Anschluss nicht zur Versorgung mehrerer RTD-Sensoren benutzt werden. Er kann also nicht „gemuxt“ werden.
- -R(AGND) kann bei mehreren RTD durchverbunden werden, er braucht also nicht gemuxt werden.
- +RL(+sense) und -RL(-sense) müssen als Feedbackleitungen gemuxt werden.
- Es können zum Multiplexen Klemmen der Serie ELM26xx, ELM27xx oder auch EL26xx verwendet werden.
Störeinflüsse von Multiplexern im Signalverlauf
Sensor und Auswertungseingang (Messgerät) sind idealerweise direkt (ohne Steckverbinder) und per kürzest möglicher Leitung verbunden. Das Einbringen von Multiplexern (oder anderen Elementen, wie Steckverbindungen, Verlängerungsleitungen etc.) zwischen Sensor und Auswertungseingang verändert in einem realen Aufbau daher grundsätzlich den direkten Signalfluss von Quelle zur Senke. Dies ist beabsichtigt, wenn der Schalter geöffnet ist, insbesondere aber auch - eher unbeabsichtigt - wenn der Schalter geschlossen ist. Das Schaltelement inklusive die nötigen Leitungen und Steckübergänge erzeugen i.d.R. Störeinflüsse, die die Messergebnisse verändern bzw. verfälschen. Dies ist beim Einsatz von Schaltern im Signalfluss generell zu beachten. Der besondere Betrieb der Schalter im Multiplexbetrieb hat je nach Signalart zudem noch Einflüsse auf das Signal; u.a. kann es zu Übersprechen, Dämpfungen und Reflexionen kommen und es sind ggf. Einschwingzeiten bei den Schaltvorgängen zu berücksichtigen.
Potentieller Einfluss von Schaltern auf hochfrequente Signale
In Abhängigkeit von Signalfrequenz(en) und Amplitude (Signalstärke) kann es im Multiplexer und zwischen den unvermeidlichen Leitungen zu frequenzabhängigen Effekten kommen. Hierzu einige Beobachtungen und Hinweise:
- Übersprechen
- „Echte“ Schalter wie EMR und Reed trennen „vorbildlich“, es wurden Werte der Übersprechdämpfung von ‑90 dB beobachtet (je größer der Wert desto größer ist der Signalabstand zwischen Störer- und Opfer-Kanal, d.h. umso besser ist die Übersprechdämpfung).
- Halbleiterschalter (FET, SolidState) wirken durch ihre nicht-galvanische-Trennung auf die Ansteuerung zurück und übersprechen so in benachbarte Schalter, beginnend mit ein Übersprechdämpfung von -80 dB bei 100 Hz, bei Frequenzen ab 1 kHz waren bis zu -60 dB beobachtbar. Die angegebenen Werte stellen keine Spezifikationswerte dar sondern sollen Orientierung für eigene applikationsspezifische Überlegungen liefern.
- Dämpfung
- Ermittelt wurden Dämpfungen je Schalter im Bereich kleiner -0,02 dB im Bereich 0...1 kHz, entsprechend ca. 0,23 % (2300 ppm) Amplitude.
- Tendenziell haben Halbleiterschalter dabei eine etwas geringere Dämpfung.
- Reflexionen
- noch keine Beobachtungen vorliegend.
Potentieller Einfluss von Schaltern auf IEPE- Signale
IEPE Sensoren erzeugen eine Offsetspannung (Bias) von ca. 10..14 V, auf der die informationsrelevante AC Spannung von z. B. ±5 V aufmoduliert wird. Die Offsetspannung muss sich nach dem Einschalten erst einstellen; der meist vorhandene Hochpass (HP) Filter muss sich zunächst einschwingen, um den DC-Offset für die Auswertung zu unterdrücken (je schneller = höherfrequent der HP Filter gewählt wird, desto schneller findet das Einschwingen statt, desto unempfindlicher wird aber auch die Messung für tieffrequente Signale).
Insgesamt ergibt das den Effekt, dass eine Einschwingzeit nach dem Einschaltvorgang beachtet werden muss. Bei Direktverbindungen zwischen Sensor und Auswerteeinheit muss die Einschwingzeit einmalig bei Betriebsbeginn abgewartet werden. In industriellen Anlagen, deren Hochfahrzeiten beträchtlich sein können, wird die Einschwingzeit daher häufig gar nicht bemerkt.
Im Multiplexing-Betrieb wird jedoch die Versorgung stromgespeister Sensoren mit jedem Umschalten unterbrochen und die Biasspannung muss durch den nachfolgenden Einschaltvorgang in dieser Betriebsart ständig neu aufgebaut werden. Messdaten, die während der Einschwingzeit aufgenommen werden, sind als ungültig zu betrachten. Um den Verlust von System-Performanz bei einer nötigen Signalüberwachung zur Beurteilung der Gültigkeit der Messdaten zu minimieren, ist stattdessen eher die Bestimmung der Einschwingzeit in Abhängigkeit von relevanten Parametern ratsam. Dadurch kann zwischen Umschalten und Messbeginn eine Verzögerungszeit im Messsystem Berücksichtigung finden, die nicht länger als notwendig dauert. Die Dauer der Einschwingzeit ist abhängig von (Reihenfolge in absteigender Gewichtung):
- Hochpass-Filtereinstellungen im Messgerät (z.B. ELM3602 oder EL3632),
- der IEPE-Stromstärke (2, 4, … mA: je höher, desto kürzer die Einschwingzeit),
- Kabellänge (je länger, desto länger die Einschwingzeit),
- Kabeldurchmesser (je dicker, desto kürzer die Einschwingzeit),
- von der Bauart des IEPE-Sensors
und kann von einigen Sekunden bis in den hohen Minutenbereich betragen.
Das folgende Diagramm zeigt Beispiele von Einschwingzeiten bei Einschaltvorgängen bei einer der Kombination von ELM3602 (24 Bit, 50 kSps) und ELM2742 (SolidState):
Empfohlener Ablauf: sofern im Messgerät ein Hochpassfilter durch die Steuerung einstellbar ist und idealerweise auch der IEPE-Strom einstellbar/abschaltbar ist könnte im Umschaltfall wie folgt vorgegangen werden
- “schnelle” Einschwingzeit einstellen: HP-Filter IEPE AC coupling 0.1Hz -> 10Hz und ca. 100 ms warten
- IEPE BIAS current abschalten und ca. 100 ms warten (schont die Schaltkontakte)
- den Multiplexer per Steuerung umschalten und ca. 100 ms warten
- IEPE BIAS current anschalten (z.B. 4 mA) und ca. 1 sek warten (Settling Time)
- “langsame” bzw. aufgabengemäße Einschwingzeit einstellen: Filter IEPE AC coupling 10Hz -> 0.1 Hz und ca. 100 ms warten
- Beginn der Messung/Auswertung
Erforderlich dazu ist, dass im Messgerät diese Einstellungen möglich sind und es den Messwert nicht durch die Filterumschaltung verändert, wie z.B. bei der ELM360x IEPE Klemme.