Schwingungsbeurteilung
Einleitende Begriffsklärung
Die Schwingungsbeurteilung zielt auf einen zuverlässigen und sicheren Betrieb einer Maschine und somit auf die Bewertung des Maschinenbetriebszustands anhand von Vibrationsmessungen. Es wird demnach nicht auf eine lokale Diagnose/Analyse von Maschinenkomponenten eingegangen. Konzepte zur diagnostischen Zustandsüberwachung von Komponenten wie Wälzlager und Getriebe werden im Folgenden separat beschrieben.
Hinweise auf gängige Normen
Hinsichtlich der Beurteilung von Maschinenschwingungen existiert eine erhebliche Anzahl von Normen, die folgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
- DIN ISO 5348, Mechanische Schwingungen und Stöße – Mechanische Ankopplung von Beschleunigungsaufnehmern
- DIN ISO 10816, Mechanische Schwingungen – Bewertung der Schwingungen von Maschinen durch Messung an nicht-rotierenden Teilen (vorher VDI-Richtlinie 2056). Die Norm besteht aus mehreren Bestandteilen
- DIN ISO 10816-3 bezieht sich auf industrielle Maschinen mit einer Nennleistung über 15 kW und Nenndrehzahlen zwischen 120 U/min und 15000 U/min bei Messung am Aufstellungsort.
- DIN ISO 10816-7 bezieht sich auf Kreiselpumpen für den industriellen Einsatz
- DIN ISO 10816-21 bezieht sich auf Windenergieanlagen mit horizontaler Drehachse und Getriebe
- DIN ISO 7919, Mechanische Schwingungen - Bewertung der Schwingungen von Maschinen durch Messungen an rotierenden Wellen. Die Norm besteht aus mehreren Teilen
- DIN ISO 7919-3 bezieht sich auf Gekuppelte industrielle Maschinen
- DIN ISO 7919-2 bezieht sich auf Stationäre Dampfturbinen und Generatoren über 50 MW mit Nenn-Betriebsdrehzahlen von 1500 min-1, 1800 min-1, 3000 min-1 und 3600 min-1
- DIN ISO 20816-1, Mechanische Schwingungen – Messung und Bewertung der Schwingungen von Maschinen. Zusammenfassung von DIN ISO 7919-1 und DIN ISO 10816-1.
Beurteilung von Maschinenschwingungen in Anlehnung an DIN ISO 10816-3
Der Anwendungsbereich dieser Norm erstreckt sich von Dampfturbinen bis 50 MW über Elektromotoren bis hin zu Gebläsen und Lüftern. Aufgrund dieser Reichweite wird diese Norm im Folgenden näher erläutert. Ziel der Norm ist die Klassifizierung des Maschinenzustands in vier unterschiedliche Klassen anhand von Schwingungsdaten für Abnahmemessungen und die Betriebsüberwachung.
Als Bewertungskriterien sind nach der Norm der Effektivwert der Schwinggeschwindigkeit sowie der Effektivwert des Schwingungswegs geeignet. In der Regel reicht es aus die Schwinggeschwindigkeit zu messen. Nur bei Auftreten niedriger Frequenzkomponenten ist die zusätzliche Auswertung des Schwingungswegs empfohlen. Bei Erfassung und Auswertung beider Schwingungsgrößen gilt effektiv die schlechtere beider ermittelten Klassen.
Der zu erfassende Frequenzbereich der Schwingungen richtet sich nach der Drehzahl der Maschine:
- 10 Hz bis 1000 Hz für Drehzahlen über 600 min-1
- 2 Hz bis 1000 Hz für Drehzahlen unter 600 min-1
Geeignete Messorte kennzeichnen sich dadurch aus, dass sie die dynamischen Kräfte der Maschine möglichst unverfälscht wiedergeben, beispielsweise sind Orte an denen lokale Resonanzen auftreten nicht geeignet. Als geeignet werden in der Regel Lagerständer und Lagerdeckel bezeichnet, wobei Messung in zwei orthogonal zueinander stehenden Richtungen üblich sind.
Die Klassifizierung berücksichtigt des Weiteren die Maschinenunterbauten, gegliedert in starre und elastische Unterbauten. Liegt die tiefste Eigenfrequenz des Gesamtsystems aus Maschine und Unterbau mindestens 25 % über der wesentlichen Anregungsfrequenz (in der Regel die Drehfrequenz), kann der Unterbau als starr bezeichnet werden – ansonsten entsprechend als elastisch. Diese Beurteilung ist für jede Messrichtung (zwei orthogonale Richtungen, siehe oben) individuell durchzuführen.
Zur Bewertung werden in der DIN ISO 10816-3:2009 vier Zonen (A, B, C, D) mit den in der folgenden Tabelle aufgeführten Grenzwerten beschrieben.
Maschinengruppe | 1 | 2 | |||
Aufstellung | starr | elastisch | starr | elastisch | |
Effektivwert der Schwing-geschwindigkeit in mm/s | 11,00 .. ∞ | D | D | D | D |
7,10 .. 11,00 | D | C | D | D | |
4,50 .. 7,10 | C | B | D | C | |
3,50 .. 4,50 | B | B | C | B | |
2,80 .. 3,50 | B | A | C | B | |
2,30 .. 2,80 | B | A | B | B | |
1,40 .. 2,30 | A | A | B | A | |
0,00 .. 1,40 | A | A | A | A | |
Maschinengruppe | 1 | 2 | |||
Aufstellung | starr | elastisch | starr | elastisch | |
Effektivwert des Schwingwegs in µm | 140 .. ∞ | D | D | D | D |
113 .. 140 | D | C | D | D | |
90 .. 113 | D | C | D | C | |
71 .. 90 | C | B | D | C | |
57 .. 71 | C | B | C | B | |
45 .. 57 | B | B | C | B | |
37 .. 45 | B | A | B | B | |
29 .. 37 | B | A | B | A | |
22 .. 29 | A | A | B | A | |
0 .. 22 | A | A | A | A |
Zone A | Die Schwingungen neu in Betrieb gesetzter Maschinen liegen gewöhnlich in dieser Zone. |
Zone B | Maschinen, deren Schwingungen in dieser Zone liegen, werden üblicherweise als geeignet angesehen, ohne Einschränkungen im Dauerbetrieb zu laufen. |
Zone C | Maschinen, deren Schwingungen in dieser Zone liegen, werden üblicherweise nicht als geeignet angesehen, ständig im Dauerbetrieb zu laufen. Im Allgemeinen darf die Maschine aber für eine begrenzte Zeit in diesem Zustand betrieben werden, wenn sich eine günstige Gelegenheit für Abhilfemaßnahmen ergibt. |
Zone D | Schwingungswerte innerhalb dieser Zone werden üblicherweise als so gefährlich angesehen, dass Schäden an der Maschine entstehen können. |
Maschinengruppe 1 | Große Maschinen mit einer Nennleistung größer 300 kW bis 50 MW sowie elektrische Maschinen mit einer Achshöhe ≥ 315 mm |
Maschinengruppe 2 | Mittelgroße Maschinen mit einer Nennleistung größer 15 kW bis 300 kW sowie elektrische Maschinen mit einer Achshöhe zwischen 160 mm und 315 mm |
Die Umsetzung der beschriebenen Schwingungsbeurteilung nach ISO 10816-3 ist in drei unterschiedlichen Beispielen umgesetzt. Siehe hierzu: