Analogtechnische Hinweise - Schirm und Erde
Gerade in Bezug auf die verlässliche Nutzung analoger (Mess-) Signale ist ein sorgfältiger Umgang mit dem Begriff „Erde“ von Nöten. Die leitfähige Ankopplung von verschiedenen Potentialen wie z.B. dem Erdpotential an ein Gehäusepotential oder die Masse-Punkte von analogen Geräten kann dabei verschiedene Ziele haben:
- Erden als Schutzmaßnahme gegen das Auftreten von gefährlichen Berührspannungen (PE)
- Erden als Definition eines gemeinsamen Signalpotentials, um die Funktion z.B. von analogen Messungen zu gewährleisten
- Erden als Ableiten von einwirkenden Störungen oder selbst erzeugten Abstrahlungen (FE), Stichwort Störfestigkeit und Störaussendung
Es sollte im jeweiligen Fall geklärt werden, welches der o.a. Ziele durch Maßnahmen erreicht werden soll. Die für den jeweiligen Fall herangezogenen Bezugsmassen können wiederum auf unterschiedlichen Potentialen liegen!
Die im Folgenden geschilderten Beobachtungen, Maßnahmen und Effekte beziehen sich vorrangig auf 3. „FE/Funktionserde“ unter Ansehung der Erfordernisse von 2. „gemeinsame Bezugspotentiale“. Angaben und Vorgaben zu 1. „PE“ sind im einschlägigen Richtlinienwerk wie VDE0100 u.a. zu entnehmen und nicht Teil diese analogspezifischen Betrachtung. Der Schwerpunkt und Anwendungsbereich der folgenden Hinweise liegt im Bereich der analogen Signalübertragung.
Begriffe „Schutzerde“ und „Funktionserde“ In diesem Abschnitt wird vorrangig die Funktionserde (functional earth, FE, |
Zum vorliegenden Dokument Die in diesem Dokument angegebenen Hinweise sind allgemeine informative Empfehlungen aus der Praxis ohne Berücksichtigung der jeweiligen anlagentypischen Besonderheiten. Sie sind vor allem als Sammlung an technischen Lösungsmöglichkeiten zu sehen. Es ist vom Anlagenhersteller zu prüfen, inwieweit o.a. Maßnahmen für seine Anlage zutreffend sind und welche der vorgeschlagenen Maßnahmen dann getroffen werden müssen. Dazu sind verschiedene Mess- und Prüfungsverfahren einzusetzen und bei existierenden Problemen ist genau zu untersuchen, wo Auslöser und Fehlerort sind. |
Blitzschutz Blitzschutzaspekte werden hier nicht betrachtet. |
Explosionsgefährdete Bereiche In Explosionsgefährdeten Bereichen und bei Zuleitungen zu diesen Bereichen sind ggf. besondere Vorschriften zu beachten, diese sind nicht Bestandteil dieses Dokuments. |
Verweis auf individuelle Dokumente Besondere Hinweise und Dokumentationen zu den eingesetzten Geräten sind zu beachten. |
Empfohlenes Vorgehen bei Vorliegen einer Auffälligkeit
- Informieren Sie sich z.B. mit diesem Dokument, öffentlichen Dokumenten/Normen und Herstellerdokumentationen über Hintergründe und praktische Ausprägungen von EMV-Störungen.
Machen Sie sich das Wirkprinzip Störquelle → Übertragungspfad → Störsenke bewusst. - Grenzen Sie mit den angegebenen Diagnosemethoden die Störungssenke ein, also den Ort/das Gerät, das nicht ordnungsgemäß funktioniert
- Überlegen Sie, wie die Störung in Ansehung der Hintergrundinformationen aus 1. zustande kommen kann
- Wenden Sie die angegebenen Hinweise und Lösungsvorschläge in Abwägung der anlagenspezifischen Möglichkeiten oder normativen Vorgaben/Einschränkungen an. Es wird empfohlen, immer nur eine Komponente zu verändern, um die Wirksamkeit der Maßnahme zu verifizieren.
- Prüfen Sie mit den angegebenen Diagnosemethoden zeitgleich, ob damit die Störquelle bzw. der Übertragungspfad gefunden ist.
Wirkungskette: Störquelle – Kopplung – Störsenke
Die unerwünschte Auswirkung einer Störquelle über die Kopplung auf eine Störsenke kann durch im Folgenden angesprochene Maßnahmen verringert oder ganz unterdrückt werden. Durch die Störung wird ein Nutzsignal verändert, im schlechtesten Fall kann der Nutzsignalempfänger den Informationsgehalt nicht mehr auswerten oder wird durch die veränderte Amplitude/Frequenz in seinem Betrieb gestört oder sogar elektrisch beschädigt.
Die Störung kann leitungsgebunden oder strahlungsgebunden übertragen werden.
Ein Gerät kann gleichzeitig als Störquelle und Störsenke (je nach Wirkrichtung) auftreten.
Ein Kabel/Gerät wirkt als Störquelle durch starke/schwache Störwirkung (Emissionen, Störaussendung) z.B. wegen
- starker/schwacher Störwirkung durch Emissionen, also Störaussendung
- ungenügende Unterdrückung durch Abschirmung, Drosseln, Filter
- ungenügende Vermeidung durch Ableiteinrichtungen, Funkenstrecken, falsch dimensionierte Abschlusswiderstände
Ein Kabel/Gerät wirkt als Störsenke durch starke/schwache Störempfindlichkeit, also ungenügender Störfestigkeit z.B. wegen
- fehlender oder ungenügend ausgeführter Schutzkomponenten: Schirm, Kompensationselemente, Ableiteinrichtungen, Funkenstrecken
Im Allgemeinen existieren folgende beispielhafte Mechanismen, eine Störung in das Nutzsignal einzukoppeln:
Hier können abschirmende Maßnahmen oder die Verhinderung der Störentstehung Abhilfe schaffen.
Galvanische Kopplung – Maßnahmen gegen Übertragung:
- Trennung unterschiedlicher Potentiale, Vermeidung von Ausgleichsströmen
- Sternförmige Verkabelung, keine Kettenschaltung
Kapazitive Kopplung – Maßnahmen gegen Übertragung:
- Räumliche Trennung
- vollständige engmaschige Schirmung der Signalleitung ohne Unterbrechung oder Löcher.
Löcher im Sinne dieser Dokumentation sind unbedeckte Flächen im cm-Bereich.
Ab einer Lochgröße von 10% der Wellenlängen können signifikante Signalanteile abgestrahlt bzw. ungewollt empfangen werden. - einseitiges niederohmiges Auflegen des Schirmes an Anlagenerde
Induktive Kopplung – Maßnahmen gegen Übertragung:
- räumliche Trennung
- Schirmung, siehe kapazitive Kopplung
- Beidseitiges niederohmiges Auflegen des Schirmes an Anlagenerde
- Gleichsinnige enge Verdrillung (hohe Schlagzahl) der analogen Signalleitungen miteinander
Strahlungskopplung - Maßnahmen:
- Kurze Leitungslängen
- Schirmung, siehe kapazitive Kopplung
Gemeinsame Signalpotentiale, Grundlegende Maßnahmen und Hinweise
In manchen Einsatzfällen müssen Bezugspotentiale von verschiedenen Geräten verbunden werden z.B. um eine Messung durchführen zu können.
- Es dürfen i.d.R. keine Ausgleichströme über solche Verbindungen fließen – Abhilfemaßnahmen siehe folgendes Kapitel.
- Ggf. sind Trennverstärker einzusetzen
- Ggf. können geräteseitig potentialfreie Anschlüsse verwendet werden – dabei Höhe der zulässigen Potentialdifferenz beachten!
FE/Abschirmung, Grundlegende Maßnahmen und Hinweise
Obige Ausführungen einbeziehend folgt nun eine Auflistung von beispielhaften Maßnahmen, die zur Verringerung von Störeinflüssen beachtet werden können.
- Zeitliche Wirksamkeit: die Wirksamkeit von getroffenen Maßnahmen kann über die Gebrauchsdauer abnehmen und sollte deshalb regelmäßig geprüft werden, insbesondere wenn es zu Auffälligkeiten kommt. Negative Einflussfaktoren können sein Kabelbruch, Oxidation an Kontaktstellen, mechanische Beschädigungen, geänderte Erdverhältnisse, geänderte Umgebung (neue Störer?), ..
- Gewähltes Bezugspotential
- Das zum Ableiten/Erden verwendete Bezugspotential kann auch selbst so mit Störungen belastet sein, dass ein Anschluss daran mehr Störungen ins System einträgt als es ableitet. Dann ist ein anderes störungsarmes Bezugspotential zu wählen.
- Es kann hilfreich sein, zum Zwecke der guten Ableitung einen separaten FE-Erdungspunkt im Gebäude zu installieren und für sensible Signale/Schirme zu nutzen.
Achtung bei Blitzschlag: durch einen Blitzschlag in der Nähe kann es zu größeren Potentialdifferenzen in Gebäuden/Erdreich kommen, die örtlich getrennte Erder dann mitziehen. Ggf. können Funkenstrecken Geräteschäden vermeiden. VDE-Richtlinien sind zu beachten!
Nutzsignalführung
- Kabelführung
- Möglichst kurze Kabelverbindung
- Je dichter die Kabel über einer metallischen Grundfläche/Potentialausgleich verlegt werden können, desto weniger Störungen können eingekoppelt werden und desto mehr Störungen werden kapazitiv über die Masse abgeleitet.
- Zu analogen störempfindliche Signalleitungen und stark störende Lastleitungen:
- - parallele Verlegung getrennt mit Abstand (> 20cm) voneinander
- - parallele Verlegung vermeiden
- - ungeschirmte Leitungen sind, wenn möglich verdrillt zu führen
- - durch metallische Trennstege voneinander abschirmen
- Beim Anschluss flexibler Kabel/Litzen sind Aderendhülsen oder Kabelschuhe zu verwenden. Verzinnen ist nicht mehr zulässig.
- Nicht genutzte Adern/Leitungen sind mindestens einseitig zu Erden.
- Schirmung
- Schirme dürfen nicht die Funktion eines N- oder PE-Leiters übernehmen.
Funktionserde zur Verbesserung der EMV (elektromagnetischen Verträglichkeit) ist nicht verwendbar als Schutzerde nach VDE 0100. - Der Schirm soll nicht zur Führung von Ableit-/ Fehlerströmen benutzt werden.
- Einige Verbindungstechnologien wie Koax/Coax erfordern, dass Signalmasse und Schirm auf gleichen Leiter anliegen. Dies kann in besonderen Umgebungen nachteilig sein. Dann ist zu prüfen, ob eine Verbindungstechnologie verwendet werden kann, die den Schirm separat führt, z.B. Triax.
- Schirmaufbau
- Wird umhüllendes Schirmgeflecht verwendet, sollte es aus verzinntem/vernickeltem Kupfer bestehen. Aluminiumgeflecht ist ggf. unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften verwendbar.
- bei mit Schirmgeflecht geschirmten Leitungen sollte die Bedeckung bei 60% .. 95% liegen
- in besonderen Fällen kann eine magnetische Abschirmung durch magnetisch leitfähige Schirmung (hochpermeables Material) nötig sein.
- Kabelschirmung kann aus Geflecht und/oder elektrisch leitfähiger Folie bestehen. Die Verwendung allein von Folie ist ungünstig, da sie leicht unterbrochen werden kann.
- Eine Kontaktierung der elektrisch leitfähigen Folie allein zum Zwecke der Schirmanbindung ist nicht zulässig, es muss das Schirmgeflecht kontaktiert werden. Die Kontaktierung der elektrisch leitfähigen Folie stellt u.a. eine zu geringe galvanische Kopplung her und ist zudem mechanisch wenig belastbar.
- Leitungsumhüllende geerdete Metallrohre können zusätzliche Abschirmung bieten
- Schirmanbindung
- Zu Ableitzwecken ist eine „gute Verbindung“ anzustreben, das heißt
| - niederimpedant/ niederohmig → möglichst großer Querschnitt, feindrähtig, ggf. Masseband |
| - PigTails (am Ende zusammengedrilltes Geflecht oder am Geflecht angebrachter Draht) verschlechtern deutlich die Wirksamkeit der Schirmanbindung. Grundsätzlich ist - insbesondere hinsichtlich zu den Anforderungen an die Störfestigkeit - davon abzuraten. |
Beckhoff bietet dazu das ZB8500 Schirmanschlusssystem. Siehe auch Kapitel „Schirmkonzept“.
- Verlaufen mehrere beidseitig angebundene Leitungen zwischen zwei Geräten, können Brummstörungen („Erdschleife“) entstehen. Eine einseitige Auftrennung des Schirms kann die Schirmwirksamkeit allerdings bedeutend verringern. Die bessere Lösung ist, den jeweiligen Schirm einseitig über einen Koppelkondensator (C = 10 ... 100 nF, bipolar) anzubinden. Dadurch ist für Gleichstrom eine Trennung gegeben, Ströme aus HF-Einwirkung können weiterhin abgeleitet werden.
| Der Koppelkondensator C muss eine ausreichende Spannungsfestigkeit aufweisen. Ggf. kann ein Widerstand R im MΩ-Bereich parallel zum Kondensator geschaltet werden. |
VORSICHT | |
Beim explosionsgefährdeten Bereich Besondere Vorschriften im explosionsgefährdeten Bereich beachten! |
- Verläuft die geschirmte Leitung nach der Schirmkontaktierung weiter, sollte die weitere freie Leitungslänge unter Schirm nicht länger als einige 10 cm betragen. Dies gilt auch für Leitungen innerhalb von Schaltschränken.
- Herstellerseitig werden Geräte manchmal mit einer RC-Kombination zwischen Masse und PE ausgerüstet. Damit wird einerseits ein gutes Ableitvermögen für HF-Störungen erzielt, andererseits kann das Gerät nicht unbeabsichtigterweise durch hohe Ableitströme beschädigt werden. Diese geräteseitige RC-Kombination als Verbindung zwischen Masse und PE zählt als erdfreie Anbindung.
- Dabei bewirkt ein hochohmiger Widerstand, dass kein überhöhter Ableitstrom fließen kann. Der Kondensator dagegen schließt hochfrequente Spitzen niederohmig kurz. Für die Kombination gilt eine spezifizierte Spannungsfestigkeit.
Wird eine geschirmte Leitung völlig erdfrei verlegt (beidseitig nur RC-Anschluss), kann dies einen guten Störschutz bieten. - Verfügt ein geschirmtes Kabel über einen Beilaufdraht, ist ein ausschließlicher Anschluss dieses Leiters an die Schirmanbindung nicht ausreichend. Am Kabelende sind Schirm und Beilaufdraht zusammen am vorgesehenen Schirmpunkt zu kontaktieren.
- Anschluss der Schirmung mit Störquellen - werden nur außerhalb des Schaltschranks erwartet
- Schirm am Schaltschrankeintritt auflegen
- Auf eine Weiterführung des Schirms innerhalb des Schaltschranks kann ggf. verzichtet werden
- Anschluss der Schirmung mit Störquellen - werden auch innerhalb des Schaltschranks erwartet
- siehe dazu: Hinweise Schaltschrankkonzeption
- der Schirm ist nach dem Schaltschrankeintritt aufzutrennen, aufzulegen und dann bis zur Klemme weiterzuführen. Dort ist er am Gerät (Klemmkontakt oder separate Schirmanbindung) erneut zu kontaktieren.
Ausgleich bei Potentialdifferenz
- Werden Signal- oder Kommunikationsleitungen über größere Entfernungen geführt, ist zu prüfen ob hier Potentialdifferenzen auftreten, Beispiel: Stegleitungen im Turm einer Windanlage. Zur Verhinderung von schirmgeführten Ausgleichsströmen
- können entsprechende Potentialausgleichsleitungen vorgesehen werden
- können Lichtwellenleiter eingesetzt werden
- können Trennverstärker eingesetzt werden
- Der Potentialausgleichsleiter sollte feindrahtig ausgeführt werden, damit er aufgrund der großen Oberfläche auch bei hochfrequenten Störströmen wirksam ist. Außerdem sind nach IEC 60364-5-54 Mindestquerschnitte einzuhalten
- Kupfer 6 mm²
- Aluminium16 mm²
- Stahl 50 mm²
- Das Erdungssystem ist sternförmig aufzubauen.
- Der PE-Anschluss ersetzt weder HF-Erdung noch die Schirmung sondern ist aus sicherheitstechnischen Aspekten vorgeschrieben.
- Ggf. ist Blitzschutz vorzusehen.
- Atmosphärische Einflüsse können zu erheblichen Potentialverschiebungen führen.
Zusätzliche Schutzmaßnahmen
- Bei geschalteten Induktivitäten und Kondensatoren sind geräteseitig Schutzbeschaltungen/Löscheinrichtungen vorzusehen, um Spannungsspitzen zu vermeiden, soweit das angeschlossene Gerät nicht schon über solch eine Funktion verfügt.
- Filterbausteine gegen Störaussendung sind, wenn nötig einzusetzen, z.B. mittels stromkompensierende Drosseln oder Ringkern-Ferrite
- Spannungsversorgung der Messgeräte sternförmig von der zentralen Versorgungsquelle abgreifen.
Hin- und Rückleiter gemeinsam nebeneinander verlegen - Thermoelektrische Effekte im mV-Bereich können störend auf Analogsignale einwirken, deshalb
- Potenzialdifferenzen verschiedener Werkstoffe zueinander vermeiden
- Ggf. Temperatur oder Werkstoff kontrollieren
Praxisnahe Diagnosemethoden der Anlagenüberprüfung
Im Folgenden sind einige Möglichkeiten der Wirksamkeitsüberprüfung von Abschirmmaßnahmen gelistet:
- Optische Inspektion
- Akustische Inspektion (Spannungsüberschläge hören)
- Spannungsmessung mit Voltmeter zwischen verdächtigen Anlagenpunkten
- Beobachtung von Spannungen auf Schirmleitern mit dem hochfrequenztauglichen Oszilloskop
- Strommessung von Ausgleichsströmen auf Schirmleitung mit Zangen-Amperemeter.
Der Strom auf dem Schirm sollte den Wert von einigen Milliampere (True RMS) nicht übersteigen. - Durchgangsmessung des Schirms und Prüfung auf unzulässigen Nebenschluss
- Temperaturmessung von Ableitern - bei hohem Stromdurchgang und hohem Übergangswiderstand wird die Kontaktstelle erwärmt