Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit

Zur grundsätzlichen Einordnung nachfolgender Erläuterungen ist das Kapitel „Hinweise zu analogen Datenwerten unter Weiterführende Dokumentation zu I/O-Komponenten mit analogen Ein- und Ausgängen insbesondere zum Messbereichsendwert zu beachten!

Es lohnt sich diese Anleitung aufmerksam zu lesen und die Ratschläge zu befolgen – Sie ersparen sich Mühe, Zeit und vermutlich auch Geld.

Die genaue Kenntnis dieser Anleitung kann Ihnen die leichte Beherrschung der Technik bei allen Anwendungen vermitteln und damit Freude bereiten.

Grundsätzliches zur Messtechnik:

Mit Messgeräten wird mit mehr oder weniger Aufwand versucht, den „wahren Wert“ einer Messgröße z.B. Umgebungstemperatur zu bestimmen. Dies ist aus verschiedenen praktischen Gründen nicht endgültig möglich. Die Messung/der Messwert unterliegt je nach Aufwand einem zufälligen, nicht eliminierbaren Messfehler. Beckhoff gibt mit seinen praktisch ermittelten Spezifikationsangaben eine Handhabe, um theoretisch die verbleibende Messunsicherheit im Einsatzfall berechnen zu können. Dazu dienen die folgenden Absätze.

Allgemeine Hinweise

Es ist keine besondere Wartung erforderlich, für die Klemme wird allerdings eine jährliche Überprüfung empfohlen.

Falls ein Werkskalibrierzertifikat für das Gerät vorliegt, gilt für das Rekalibrierintervall eine Empfehlung von 1 Jahr, falls nicht anders angegeben.

Hinweise zu den Spezifikationsdaten:

Hinweis zur Temperatur

Die Temperatur innerhalb/außerhalb des Gerätes hat Einfluss auf die Messung durch die Elektronik. So weist eine messtechnische Schaltung in der Regel eine Temperaturabhängigkeit auf, die u.a. in der Angabe der Temperaturdrift spezifiziert wird. Die Spezifikationsangaben gelten für eine konstante Umgebungstemperatur – veränderliche Verhältnisse (Aufheizen des Schaltschranks, Temperatursturz durch Öffnen des Schaltschranks bei kalter Witterung), also ein Temperaturübergang, kann unter Umständen zu einer Veränderung von Messwerten durch dynamische und heterogene Temperaturverteilung führen. Zur Bereinigung solcher Effekte kann die Geräte‑Innentemperatur online aus dem CoE ausgelesen und ggf. zur Verrechnung herangezogen werden. Manche Geräte zeigen auch elektronisch an, dass sie sich thermisch stabilisiert haben, siehe dazu die Diagnose Eigenschaften.

Die Spezifikationsdaten gelten

Liegen andere Bedingungen vor, ist ein anwenderspezifischer Abgleich nötig.

Hinweise zur Rechnung mit den Spezifikationsangaben:

Die unabhängigen Spezifikationsangaben lassen sich in zwei Gruppen einteilen:

Die unabhängigen Einzel-Genauigkeitsangaben sind nach der u.a. Formel quadratisch zu addieren, um eine Gesamt-Messgenauigkeit zu ermitteln - wenn keine besonderen Bedingungen vorliegen, die gegen eine Gleichverteilung und damit den quadratischen Ansatz sprechen (englisch: RSS – root of the sum of the squares).

Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 4:

Für Messbereiche, bei denen der Temperaturkoeffizient nur als TkTerminal spezifiziert ist:

Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 5:

FOffset

:

Offset-Spezifikation (bei 23°C)

FGain

:

Gain/Scale-Spezifikation (bei 23°C)

FNoise, PtP

:

Rausch-Spezifikation als Peak-to-Peak-Wert (gültig für alle Temperaturen)

MW

:

Gemessener Wert

MBE

:

Messbereichsendwert

FLin

:

Nichtlinearitätsfehler über den gesamten Messbereich (gültig für alle Temperaturen)

FRep

:

Wiederholgenauigkeit (gültig für alle Temperaturen)

TkOffset

:

Temperaturkoeffizient Offset

TkGain

:

Temperaturkoeffizient Gain

TkTerminal

:

Temperaturkoeffizient der Klemme

ΔT

:

Differenz der Umgebungstemperatur zur spezifizierten Grundtemperatur (23°C wenn nicht anders angegeben)

FAge

:

Fehlerkoeffizient der Alterung

NYears

:

Anzahl Jahre

FGesamt

:

Theoretisch berechneter Gesamtfehler

Beispielsweise seien bei einem ermittelten Messwert MW = 8,13 V im 10 V Messbereich (MBE = 10 V) die folgenden Werte vorliegend (NYears = 0):

Dann berechnet sich die theoretisch mögliche Gesamt-Messgenauigkeit bei ΔT = 12K zur Grundtemperatur wie folgt:

Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 6:

bzw. = ±0,0143.. %MBE

Anmerkungen:

ppm ≙ 10-6

% ≙ 10-2

Allgemein kann also wie folgt gerechnet werden:

Beckhoff gibt die Spezifikationsdaten üblicherweise symmetrisch in [±%] an, also z.B. ±0,01% oder ±100 ppm. Entsprechend wäre das vorzeichenlose Gesamtfenster also der doppelte Wert. Auch eine Peak-to-peak-Angabe ist eine Gesamtfensterangabe, der symmetrische Wert also die Hälfte davon. In der u.a. quadratischen Verrechnung ist der symmetrische „einseitige“ Wert ohne Vorzeichen einzusetzen. Rauschangaben erfolgen üblicherweise in peak-to-peak-Form, deshalb enthält die Formel für den Rauschwert schon den Teilungsfaktor 2.

Beispiel:

Der so berechnete Gesamtfehler ist wieder als symmetrischer Maximalwert zu sehen und somit zur weiteren Verwendung mit ± und ≤ zu versehen.

Beispiel:

Das heißt gesprochen: „Die Verrechnung der Einzel-Genauigkeitsangaben unter den geg. Bedingungen erbrachte ein Fenster von 200 ppm, das symmetrisch um dem einzelnen Messwert liegt. Die Messwertangabe x hat damit eine Unsicherheit von x ±100 ppm, der wahre Wert liegt damit zu 95% in diesem Bereich“.

 

Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 7:

Der Rauschanteil kann entfallen

Der Anteil des Rauschens FNoise in der o.a. Formel kann entfallen (= 0 ppm), wenn nicht ein einzelnes Sample sondern ein gemittelter Wert über einen Satz von Samples in Betracht gezogen wird. Die Mittelung kann in der PLC, aber auch durch einen der Filter im Analogkanal erfolgen. Der Ausgabewert einer gleitenden Mittelwertbildung über viele Samples hat einen annähernd eliminierten Rauschanteil. Die erzielbare Genauigkeit steigt somit, wenn der Rauschanteil verringert wird.

Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 8:

Fehlerkoeffizient der Alterung

Wird der Spezifikationswert zur Alterung von Beckhoff (noch) nicht spezifiziert, muss er bei Messunsicherheitsbetrachtungen wie im o.a. Beispiel zu 0 ppm angenommen werden, auch wenn in der Realität über die Betriebszeit davon auszugehen ist, dass sich die Messunsicherheit des betrachteten Gerätes ändert, umgangssprachlich der Messwert "driftet".

Erfahrungsgemäß kann als Größenordnung für eine Jahres-Veränderung (10.000 h) bei spezifikationsgemäßem Betrieb die Grundgenauigkeit des betrachteten Gerätes angenommen werden. Dies ist eine informative Aussage, ohne Spezifikationscharakter, Ausnahmen möglich. Generell wird die Alterungsveränderung sehr applikationsspezifisch ausfallen, eine allgemeine Alterungsspezifikation von Seiten Beckhoff wird daher bei Veröffentlichung eher Richtwertcharakter als garantierte Obergrenze darstellen.

Ergibt die Messunsicherheitsbetrachtung in der Applikation, dass die Alterung über die gewünschte Betriebszeit den Messerfolg gefährden kann, empfiehlt Beckhoff die zyklische Überprüfung (Rekalibrierung) des Messkanals, sowohl was Sensor, Verkabelung als auch die Beckhoff Messklemmen betrifft. Dadurch können potentielle Langzeitveränderungen in der Messkette frühzeitig entdeckt und ggf. sogar der Auslöser (z.B. Übertemperatur) eliminiert werden. Siehe dazu auch Weiterführende Dokumentation zu I/O-Komponenten mit analogen Ein- und Ausgängen.

 

Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 9:

Grundgenauigkeit, erweiterte Grundgenauigkeit und Mittelwertbildung

  • Die Grundgenauigkeit wird zur vereinfachten Verwendung extra ausgewiesen.
  1. Die Grundgenauigkeit beinhaltet Offset‑/Gain-Abweichung, Nichtlinearität und Wiederholgenauigkeit, nicht aber den Temperaturkoeffizienten und das Rauschen und ist damit eine Teilmenge der o.a. vollständigen Rechnung. Es besteht die Möglichkeit mittels der Offset‑Korrektur die Messgenauigkeit über die Grundgenauigkeit hinaus zu steigern.
    Hinweis: Die „erweiterte Grundgenauigkeit“ beinhaltet zusätzlich durch den Temperaturkoeffizienten das Temperaturverhalten über den angegebenen Betriebstemperaturbereich z.B. 0…60 °C.
  2. „Mittelwertbildung“ bedeutet, dass der Wert aus der arithmetischen Mittelung über i.d.R. 100.000 Werte zur Eliminierung des Rauschens gewonnen wurde. Dabei muss nicht unbedingt die in der Klemme integrierte Mittelwert-Funktion genutzt werden - es kann im Falle noch vorhandener Ressourcen die Mittelwertbildung ebenso in der PLC durchgeführt werden.
Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 10:

Messgenauigkeit vom Messwert (vom Messwert)

Manchmal ist statt der Genauigkeitsangabe „Genauigkeit bezogen auf den Messbereichsendwert (MBE)“ (englisch: percentage of range) die „Genauigkeit bezogen auf den aktuellen Messwert“ d.h. „Genauigkeit vom Wert (v.W.)“ gesucht (englisch: percentage of reading).
Aus den in der Spezifikation gegebenen Daten kann dieser Wert einfach ermittelt werden, denn die Gesamtgenauigkeit setzt sich nach der Formel aus einem vom Messwert und Messbereichsendwert abhängigen Teil und einem ausschließlich vom Messbereichsendwert abhängigen Teil zusammen:
Allgemeines zur Messgenauigkeit/Messunsicherheit 11: